Dies ist eine feministische Kritik an einem Kommissionsbericht, der vom deutschen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegeben wurde. Der Bericht behandelt zwei Themen: Abtreibung und Leihmutterschaft. Hier wird nur das Thema Leihmutterschaft behandelt.
Um eine Kritik des Textes zu formulieren, müssen mehrere inkohärente Punkte angesprochen und die Widersprüche, die sich daraus ergeben, festgehalten werden. Unser Interesse gilt vor allem dem Schutz der Rechte von Frauen und Kindern vor allen möglichen und potenziellen Formen der Ausbeutung. Im Folgenden sollen einige kritische Aspekte hervorgehoben und mit Zitaten aus dem Text belegt werden.
1. Widerspruch zwischen Altruismus und potenzieller Ausbeutung
Der Text argumentiert, dass altruistische Leihmutterschaft eine ethische Lösung ohne kommerzielle Ausbeutung sein könnte. Er räumt jedoch ein, dass in einem altruistischen Rahmen die Gefahr einer wirtschaftlichen Ausbeutung besteht, insbesondere wenn sozioökonomische Ungleichheiten bestehen. Wie in dem Text erwähnt :
„Zum Problem werden entgeltliche Formen der Eizellspende und Leihmutterschaft aber dann, wenn sie ökonomische Ungleichheiten in einer Weise zunutze machen, die als Ausbeutung der Spenderinnen oder Leihmütter betrachtet werden können. Eizellspende und Leihmutterschaft können aus (mindestens) drei Gründen die Gefahr der Ausbeutung begründen“ (S.357)
Dies zeigt, dass Frauen auch in einem angeblich altruistischen Modell durch wirtschaftlichen Druck beeinflusst werden können, was der Idee einer wirklich freien Zustimmung widerspricht. Der Text räumt zudem ein, dass, Der Text rüamt zudem ein dass, wenn der finanzielle Anreiz zu Gross ist, die Spenderin oder Leihmutter, “ aus wirtschaftlicher Not für diese Verfahren entscheidet. (S.492). Allerdings räumt der Text auch ein, dass selbst wenn die Handlung in einem „altruistischen“ Rahmen wenig einbringt, berücksichtigt werden muss“, „dass selbst eine sehr niedrige Aufwandsentschädigung als Form von Ausbeutung gelten kann, weil dies signalisieren könnte, die Leistungen und Anstrengungen der Frau seien nur wenig wert “ (S. 357). Angesichts dieser Tatsachen scheint kein System, nach dem die Leihmutterschaft funktioniert, ob altruistisch oder kommerziell, das Risiko der Ausbeutung wirklich zu verhindern.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass die so genannte altruistische Leihmutterschaft immer in einem kommerziellen Rahmen stattfindet in dem die klinischen Akteure, Juristen, Krankenhäuser und Psychologen ihre Honorare in Rechnung stellen, ohne dass von ihnen ein altruistisches Verhalten verlangt wird. Der Begriff des Altruismus spielt oft die Rolle einer Marketing-Verpackung, die es ermöglicht, diese Praxis akzeptabel zu machen.
2. Gefahr der Kommerzialisierung
Obwohl der Text versucht, zwischen altruistischer Leihmutterschaft und der Kommerzialisierung des Kindes zu unterscheiden, ist diese Unterscheidung unscharf. Der Text erkennt an, dass Leihmutterschaft überwacht werden muss, um Kinderhandel zu verhindern:
„Eine Legalisierung der Leihmutterschaft müsste diesen Gefährdungen wirksam begegnen.“ (S. 461).
Dies deutet darauf hin, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen der Leihmutterschaft und der Gefahr der Kommerzialisierung der daraus hervorgehenden Kinder gibt, trotz der zur Schau gestellten altruistischen Absichten. Wir wissen, dass es trotz strenger Regelungen trotzdem kriminelle Fälle von Menschen- und Kinderhandel gibt, wie jüngst in Griechenland.
Dort, wo es Regelungen gibt, die alle Beteiligten schützen sollen, zeigt die Erfahrung, dass der Markt- und der Nachfragedrück nach und nach zu einer Verwässerung der gesetzlichen Schutzbestimmungen zum Nachteil der Leihmütter und zum Vorteil der Auftraggeber führt. In Griechenland wurde die Wohnsitzklausel, die ursprünglich dazu gedacht war, den Handel mit Frauen aus Nachbarländern zu verhindern, schrittweise abgeschwächt und schließlich ganz aufgegeben[1]. Im Vereinigten Königreich zielt die Überarbeitung des ursprünglichen Gesetzes darauf ab, die Widerrufsfrist für Leihmütter abzuschaffen..
3. Minimierung der Risiken für die Leihmutter
Der Text erkennt gewisse medizinische Risiken für die Leihmütter an, scheint diese aber zu minimieren, indem er vorschlägt, dass eine angemessene Auswahl der Kandidatinnen diese Risiken verringern könnte. Es wird jedoch klargestellt, dass
„Schwangerschaften sind – insbesondere wenn sie mittels Eizellspende entstanden sind – mit einer Reihe von medizinischen Risiken für die Leihmutter behaftet.“ (S. 351).
Auf den Seiten 365 bis 421 des untersuchten Dokuments werden die medizinischen Risiken für Leihmutter aufgezählt und erläutert, um schließlich zu dem Schluss zu kommen, dass es ausreicht, sie über die möglichen Risiken zu informieren und ihre Krankengeschichte zu studieren, ordnungsgemäßen Verlauf der Schwangerschaft beurteilen zu können. Trotz der Anerkennung der Risiken ist es inakzeptabel, die Verwendung des Körpers einer Frau zu rechtfertigen, um ein Kind für eine andere Person auszutragen, insbesondere angesichts all der physischen und psychischen Risiken, die in dem Dokument erwähnt werden.
Neure Studien haben gezeigt, dass Schwangerschaften, die durch Leihmutterschaft mittels IVF zustande gekommen sind, wesentlich höhere Risiken bergen als normale Schwangerschaften[2]. Ist es sinnvoll, das Leben junger Frauen zu riskieren, nur um den Wunsch eines anderen zu erfüllen?
Der Text besagt, dass Frauen frei entscheiden können, ob sie Leihmutter werden wollen, aber der Begriff der Zustimmung ist in diesem Zusammenhang zweifelhaft. Die Notwendigkeit der Erstellung einer “ freien und informierten Einwilligung“ (S. 356) berücksichtigt nicht den sozioökonomischen Kontext, in dem Leihmutterschaften stattfinden kann. Die Machtdynamiken zwischen den Auftraggebern und den Leihmüttern sollten ebenfalls Aspekte sein, die bei der Anerkennung einer freien und informierten Einwilligung zu berücksichtigen sind, ähnlich dem ersten Punkt, den wir in dieser Rezension definiert haben. Der Text erkennt an, dass trotz der Zustimmung zur Praxis selbst die Gefahr der Instrumentalisierung besteht:
„Eine Instrumentalisierung der Frau auch bei selbstbestimmter Entscheidung für die Leihmutterschaft kann insbesondere dann drohen, wenn den Wunscheltern weitergehende Entscheidungsrechte über ihren Körper im Rahmen der künstlichen Befruchtung und der Schwangerschaft eingeräumt werden“. (S. 357)
Dies zeigt deutlich, dass selbst in einem altruistischen Rahmen die Leihmutterschaft Frauen unweigerlich in eine Position bringt, in der sie als Instrumente zur Erfüllung des Kinderwunsches anderer behandelt werden, was dem Konzept der Menschenwürde, wie es im Dokument selbst definiert und verteidigt wird, widerspricht.
Es darf nicht vergessen werden, dass die freie Wahl bei der Leihmutterschaft nicht die der Leihmutter ist, sondern die der Kunden, deren Ansprüche zunächst durch die Auswahlkriterien der Leihmutter und dann durch die ihnen auferlegten Verträge formuliert werden.
4. Rechte des von einer Leihmutter geborenen Kindes
Der Text behauptet, dass die Würde des Kindes durch die Leihmutterschaft nicht beeinträchtigt wird, solange das Kind Zugang zu medizinischen Daten über seine Herkunft hat. Dies ist jedoch unzureichend. Die Vorstellung, dass das Kind nach der Geburt den Wunscheltern „übergeben“ werden könnte, ist an sich schon problematisch, wie der Text ausgeführt:
„Darüber hinaus hat das Kind einen Anspruch auf klare und eindeutige Zuordnung zu seinen sorgeberechtigten Eltern sowie auf Kenntnis seiner Herkunft.“ (S. 485).
Der Prozess der Übergabe des Kindes an die Wunscheltern durch eine abrupte Trennung von der Frau, die das Kind neun Monate lang ausgetragen hat, erstarkt die Vorstellung, dass das Kind selbst ein kommerzielles Produkt unter Missachtung der Menschenwürde des Kindes ist. Das höchste Interesse des Kindes besteht nicht darin, gekauft, verschenkt oder verkauft zu werden, wie Olivia Maurel, eine junge Frau, die von einer Leihmutter geboren wurde, in ihrer Zeugenaussage tschechischen Parlament sehr gut zum Ausdruck gebracht hat[3].
5. Die Übermedikalisierung des weiblichen Körpers
Im Text werden die Risiken für die „Spenderinnen“ von Eizellen anerkannt und aufgezählt, um sie zu unterschätzen und als vernachlässigbar zu verharmlosen.
„Zu den Nebenwirkungen und Risiken zählen Nebenwirkungen der Medikamente, eine Vergrößerung der Ovarien mit Bauchumfangszunahme, ein ovarielles Überstimulationssyndrom (Ovarian HyperStimulation Syndrom, OHSS) und die möglichen Nebenwirkungen bei der Entnahme der Eizellen wie Verletzungen, Blutungen oder Infektionen.“ (S 373)
„Allerdings ist dieses Risiko in den letzten Jahren immer geringer geworden, da gezielt Medikamente eingesetzt werden können, die das Auftreten eines schweren OHSS sehr unwahrscheinlich machen.“ (S. 373)
Die ausführliche Beschreibung der Risiken der Eizellenentnahme im Absatz 1.3.2. MEDIZINISCHE ASPEKTE DER EIZELLSPEND zeigt, dass die Risiken erheblich und gut dokumentiert sind und nicht als vernachlässigbar angesehen werden können, wenn die Eizellentnahme nicht für das eigene Elternprojekt der „Spenderin“, sondern für das Projekt einer anderen Person durchgeführt wird.
Schließlich berücksichtigt der Text nicht den kommerziellen Kontext, in dem die Eizellentnahme stattfindet. Das Buch „Eggonomics“ stellt diese Debatte bereits in der Einleitung des Buches (von uns übersetzt) klar: „Was passiert, wenn Menschen auf Produkte reduziert werden? Das ist die zentrale Frage, die Eggonomics beantworten will, wobei es den klinischen Vorhang über die globale Eizellenindustrie, die jedes Jahr mehrere Milliarden Dollar einbringt, lüftet. Dieses Buch zeichnet die emotionale und physische Reise der Eizellspenderinnen als Lieferanten wertvoller Waren nach und enthüllt die ungeschminkte Realität im Herzen der Branche. Spenderinnen – und die Eizellen, die sie zur Verfügung stellen – sind absolut unverzichtbar, wenn es darum geht, andere zu helfen, die Familie ihrer Träume zu gründen. Doch nicht alle Kliniken behandeln ihre Spenderinnen so gut wie ihre zahlenden Patienten, und viele Spenderinnen leiden darunter. Technologische Innovationen ermöglichen es der Eizellspende-Industrie, zu expandieren, und treiben das Eindringen von privatem Beteiligungskapital in die Fruchtbarkeitsmedizin voran, wodurch einst private Kliniken zu hochprofitablen, multinationalen Konglomeraten werden.“[4]
Sowohl bei der Eizellenentnahme als auch bei der Leihmutterschaft geht der Bericht mit keinem Wort auf die Frage ein, welche kurz-, mittel- und langfristigen physischen und psychischen Folgen die Übermedikalisierung des Körpers junger, kerngesunder Frauen ohne Kinderwunsch hat.
6. Zweierlei Maß und Gewicht
Der Text enthält auch einen auffälligen Widerspruch. Er drückt Empathie für die körperlichen und seelischen Leiden von Frauen aus, die, für ihr eigenes Elternprojekt, sich medizinisch unterstützter Fortpflanzungstechniken (Insemination, IVF) unterziehen, verharmlost aber systematisch die Risiken für „Eizellspenderinnen“ und Leihmütter (siehe oben). Bei Ersteren wird auf die physischen und psychischen Leiden hingewiesen, die „kurzfristige Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Gewichtszunahme oder das Risiko einer Überstimulation“ (S. 366) mit sich bringen. Bei Letzteren wird betont, dass die Risiken durch geeignete medizinische Techniken minimiert werden und dass sie über diese Risiken aufgeklärt werden müssen. Diese ungleiche Anerkennung von Leiden und Risiken spiegelt eine Form der Abwertung des Wohlergehens von Frauen wider, die Eizellspenderinnen oder Leihmütter sind, obwohl sie den Gefahren dieser Praktiken ebenso, wenn nicht sogar stärker ausgesetzt sind. Gibt es zwei Kategorien von Frauen – diejenigen, die geschützt werden müssen, und diejenigen, die dazu bestimmt sind, von anderen ausgebeutet zu werden?
7. Mehrdeutigkeit in Bezug auf reproduktive Rechte und Leihmutterschaft
Der Text rechtfertigt die Leihmutterschaft mit dem Recht auf reproduktive Freiheit und argumentiert, dass :
„ Die Wunscheltern sind in ihrer Absicht, ein Kind mit Hilfe einer Eizellspende oder Leihmutter zu bekommen, grundrechtlich geschützt“. (S.353).
Diese Argumentation lässt jedoch außer Acht, dass de Leihmutterschaft die Frau zum Mittel zur Erfüllung Elternwunsches macht, was gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Menschenwürde verstößt. Grundrechte, wie in diesem Text geschehen, als die Freiheit zu interpretieren, andere für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, ist ein äußerst schwerwiegender Widerspruch in sich. Reproduktive Rechte sind persönliche und unveräußerliche Rechte, die nicht auf andere übertragen werden können.
Kritische Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Text zwar versucht, eine regulierte altruistische Leihmutterschaft zu rechtfertigen, selbst aber zahlreiche Widersprüche aufweist, die seine Ambivalenz offenbaren. Selbst unter einer altruistischen Fassade gelingt es der Leihmutterschaft nicht, die Ausbeutung der Frauen, die Instrumentalisierung ihrer Körper und die Kommerzialisierung der Kinder zu verhindern.
Trotz der Regulierung bleiben Frauen in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen weiterhin anfällig für Ausbeutung, da sie in den Verhandlungen gegenüber den Wunscheltern, die über mehr Macht und Ressourcen verfügen, benachteiligt sind. Die Regulierung von Leihmutterschaft in den Vordergrund zu stellen, bedeutet, dass bestimmte Gruppen von Frauen einen subalternen Status genießen und ihre Reproduktionsfähigkeit ausbeutbar ist.
Die abolitionistische Perspektive argumentiert, dass Leihmutterschaft, selbst wenn sie streng reguliert wird, niemals eine vollständige Abwesenheit von Ausbeutung oder Kommerzialisierung garantieren kann und daher verboten werden sollte.
Zwar hat ein Verbot noch nie zum Verschwinden einer Praxis geführt, man denke etwa an die Beschneidung, den Inzest oder die Sklaverei, die trotz allem fortbestehen. Ein Verbot hat in erster Linie die Funktion, Grenzen zu setzen, die Schwächsten zu schützen und unsere gemeinsame Menschlichkeit zu verteidigen, was mit der Abschaffung der Leihmutterschaft eindeutig angestrebt wird.
[1]https://spcommreports.ohchr.org/TMResultsBase/DownLoadPublicCommunicationFile?gId=291434. Instrumentalisierung von Frauen
[2] „Pregnancy surrogates seem to have a higher risk of developing complications such as postpartum haemorrhage and severe pre-eclampsia and are more likely to give birth prematurely, research from Canada has found.“ https://www.bmj.com/content/386/bmj.q2100.full
[3] https://www.youtube.com/watch?v=b0gJi0WQRDA
[4] https://www.taylorfrancis.com/books/mono/10.4324/9781003428435/eggonomics-diane-tober. Buchvorstellung: „What happens when people are reduced to products? Das ist die zentrale Frage, die Eggonomics zu beantworten versucht, indem sie den klinischen Vorhang über der globalen Multi-Milliarden-Dollar-pro-Jahr-Eiindustrie zurückzieht. Das Buch verfolgt die emotionalen und physischen Wege, die Eierspender als Lieferanten wertvoller Waren zurücklegen, und enthüllt unbequeme Realitäten im Herzen der Branche. Spender – und die von ihnen gelieferten Eier – sind absolut unerlässlich, um anderen dabei zu helfen, die Familien ihrer Träume zu schaffen. Aber nicht alle Kliniken behandeln ihre Spender genauso gut wie ihre zahlenden Patienten, und viele Spender leiden als Ergebnis. Technologische Innovationen ermöglichen es der Eierspendeindustrie zu expandieren, die private Kapitalbeteiligung an der Fruchtbarkeitsmedizin zu steigern und Kliniken in hochprofitable, multinationale Konglomerate zu verwandeln.