Brief an alle österreichischen und deutschen EU-Abgeordneten, gesendet von Stoppt Leihmuttershaft

Sehr geehrte Abgeordnete ….

 

wir, der Verein Stoppt-Leihmutterschaft, wenden uns an Sie betreffend den Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur EU-weiten Anerkennung einer in einem Mitgliedsstaat festgestellten Elternschaft (COM(2022)695). Unsere Stellungnahme dazu finden Sie im Anhang. Wir lehnen wie viele andere den Vorschlag ab, da er der grenzüberschreitenden Leihmutterschaft Vorschub leisten und die Begrenzungsbemühungen und Verbote in den meisten europäischen Ländern auf undemokratische Weise vereiteln würde.

 

Wir fordern Sie dringend und nachdrücklich auf:

  • Setzen Sie sich für ein internationales Verbot von Leihmutterschaft (jeglicher Art) ein
  • Widerstehen Sie dem Versuch der Regulierung von Leihmutterschaft, die Frauen- und Kinder nicht schützt, jedoch ein menschenrechtswidriges und unethisches Geschäft begünstigt.
  • Verhindern Sie die Legalisierung von sogenannter ‚altruistischer‘ Leihmutterschaft, die nicht mehr ist als ein trojanisches Pferd, um kommerzielle Leihmutterschaft zu implementieren.

 

Was ist ein Wunsch – was ein Bedarf – was ein Recht?

 

Eine gründliche Beschäftigung mit dem komplexen Thema Leihmutterschaft ist dringend notwendig.

Es handelt sich bei Leihmutterschaft (jeglicher Art) um einen milliardenschweren, globalisierten Markt, der Kinder- wie Frauenrechte massiv gefährdet und einer Haltung Vorschub leistet, die alles, vom Körper der Frau bis zum Kind, zur Ware macht. Zugleich wird vorgetragen, dies alles geschehe im Namen von Freiheit- und Selbstbestimmung. Grenzen zwischen Wunsch, Bedarf und Recht verschwinden, bzw. werden verständliche Wünsche zu einem Recht definiert ohne Rücksicht auf die Menschenrechtsverletzungen, die anderen zugemutet werden.

Unter der Verwendung emanzipatorischer Slogans wird eine im Kern eugenische, minderheitenfeindliche und elitäre Haltung vertreten.

Das ‚Recht auf ein Kind‘, sei es für Menschen, die aufgrund eines organischen Problems oder einer chemischen und industriellen Umweltvergiftung unfruchtbar sind, sei es für alleinstehende Frauen oder gleichgeschlechtliche Paare, wird heute als Vorwand benutzt, um die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, die zur neuen Norm wird, zu verallgemeinern und den Zielen und Methoden eugenischer und transhumanistischer Wissenschaftler zu dienen. 

So schreibt Silvia Guerini, italienische Feministin und Umweltschützerin, Herausgeberin der Zeitung L’Urlo della Terra in dem 2022 in Frankreich erschienenen Sammelband „Ventres à louer – une critique féministe de la GPA[1], in ihrem Beitrag SS 149-158

 

Reproduktiver Neoliberalismus – eine neue genetische Klasse

Laura Nuño Gómez, Professorin an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid, Autorin und Feministin, spricht im selben Buch von einem ‚reproduktiven Neoliberalismus‘, einer ‚neuen Produktionsweise‘ und ‚produktiven Reproduktionsmodell‘ durch Methoden der medizinisch assistierten Technologie, die sexuelle und reproduktive Kapazität von Frauen vermarkten, Genetik und Reproduktionsmedizin verknüpfen, und nicht nur Kinder, sondern gesunde, optimierte Kinder zum besten Preis bieten und zu Bedingungen, welche die Kunden zufriedenstellen:

„Die Verbindung von Schwangerschaftsmarkt und Genomrevolution bricht nicht nur mit der Chancengleichheit bei der Elternschaft, sondern stellt auch eine Verbindung zwischen sozialer und genetischer Spaltung her, da sich nur bestimmte Personen eine Leihmutterschaft leisten und das beste genetische Material zur Verbesserung ihrer Abstammung auswählen können. So schafft die vom Markt praktizierte Eugenik eine genetische Klasse, die zu den traditionellen Begriffen der sozialen Klasse oder der Geschlechtsklasse hinzukommt.

Laura Nuño Gómez (in „Ventres à louer…. SS 175-180)

 

Wo bleiben Frauenrechte?

Jede Schwangerschaft mit einer fremden Eizelle ist eine Hochrisikoschwangerschaft. Frühgeburten, Fehlgeburten und Schwangerschaftskomplikationen kommen vermehrt vor. Passiert in der Schwangerschaft etwas, wird die Leihmutter gegen eine andere Frau ausgetauscht. Warum soll sich eine Frau, die nicht Mutter werden will, freiwillig einer Technik unterziehen, die ihre Gesundheit gefährdet, die dissoziative Bewältigungsstrategien fordert – also die Abkoppelung „des Bauches“ von ihrer Person – und damit potenziell traumatisierend ist?

2021 unterstützten 300 feministische und Menschenrechtsorganisationen sowie 3.000 Einzelpersonen aus 65 Ländern die Konvention zur Abschaffung der Leihmutterschaft von CIASM (ibid. SS 303-315) Im selben Jahr trafen sich fast 100 lateinamerikanische feministische Organisationen und veröffentlichten ein gemeinsames „Manifest“, in dem sie die Versuche verurteilten, ihre Länder für die Leihmutterschaft zu öffnen.  Feministinnen auf der ganzen Welt sowie Menschenrechtsorganisationen protestieren vehement gegen Leihmutterschaft und wenden sich damit ausdrücklich gegen ein „Recht auf Elternschaft“.

„Wir müssen uns mit einem speziellen und irreführenden Konzept, nämlich der „Familienvielfalt“, auseinandersetzen, das von einem nicht mehrheitlichen, aber sehr aktiven Teil der G&T-Gemeinschaft (Gays and Transsexual) vertreten wird und das die Rechte der Frauen um jeden Preis ihrem Wunsch nach genetischer Reproduktion unterordnen will.“

Berta O. García, feministische Aktivistin, (in ibid. SS 127-132)

Auch Vorkämpfer für die Rechte Homosexueller äußern z.T. deutliche  Kritik an der Reproduktionsindustrie::

„Die Reproduktionsindustrie reitet auf der Welle der LGBT+-Bewegung, in dem Versuch, die Wahrnehmung der kommerziellen Leihmutterschaft zu neutralisieren und sie zu einem wesentlichen LGBT+-Recht zu machen, das es männlichen Paaren ermöglicht, Kinder zu bekommen. Als schwuler Mann und als jemand, der sich seit vier Jahrzehnten für die Rechte von Homosexuellen einsetzt, bin ich entsetzt über den sozial schädlichen, irrationalen und mobbenden Block, zu dem die LGBT+-Bewegung3 geworden ist: eine Bewegung, die von so vielen Schwulen und Lesben als abgehoben, nicht repräsentativ, peinlich und, was noch wichtiger ist, besessen von der Durchsetzung einer extremistischen Ideologie4 wahrgenommen wird, die absolut nichts mit der sexuellen Orientierung oder den Rechten von Homosexuellen zu tun hat.“

Gerry Powell, Aktivist für Rechte der Homosexuellen in UK und Befürworter des Verbots aller Arten von Leihmutterschaften in seinem Beitrag „Reproduktions-Tourismus“ (in ibid. SS181 -184)

Feministinnen protestieren gegen die Instrumentalisierung von Frauen, die Enteignung ihres Körpers, das Verschwinden der Begriffe „Frau“ und „Mutter“ und ihr Ersatz durch reduktionistische und euphemistische Funktionsbezeichnungen wie „Ersatz-Austragende“, „schwangere Person“ oder „Ersatzgebärmutter zum Austragen“.

Bei den allermeisten Frauen ist von Freiwilligkeit keine Spur. Es gibt keine wohlhabende Leihmutter, die armen Menschen den Kinderwunsch erfüllt. Das Wohlstandsgefälle geht eindeutig in eine Richtung: Kinderbekommen wird an Randgruppen ausgelagert, die sich aus Not dazu gezwungen sehen.

Die Selbstbestimmung endet spätestens mit der Unterschrift unter den Vertrag als Leihmutter.

 

Kinderrechte durch Leihmutterschaft ignoriert

„Es muss verstanden werden, dass es immer und ohne den geringsten Zweifel in der Natur von Leihmutterschafts-Verträgen liegt, das Kindeswohl zu ignorieren, da die reproduktive Ausbeutung absichtlich das Bedürfnis des Neugeborenen nach dem mütterlichen Körper und der Fürsorge seiner Mutter missachtet. Sie stellt die Wünsche der Käufer und die Profite der Industrie über die Bedürfnisse des Babys.“

Ana Trejo Pulido, Feministin und Gründerin der Plattform „Stop Vientres de Alquiler“ in Spanien, in ihrem Beitrag über die „Prinzipien von Verona…“in „Ventres à louer…“ SS 194-204

Leihmutterschaft ignoriert nicht nur die Risiken für die Frau – und damit auch das Kind – in der Schwangerschaft. Es unterschätzt auch die auf allen Ebenen tiefe und prägende Verbindung des Kindes mit der Mutter in der Schwangerschaft und die lebenslange Bedeutung dieser frühen Prägung. Alle Erfahrungen, die ein Mensch in der Schwangerschaft oder während der Geburt macht, hat Auswirkungen auf seine körperliche, aber auch seelische Entwicklung.

Der Gold-Standard der Schwangerenbegleitung ist bindungsorientiert und damit genau das Gegenteil der distanzierten Schwangerschaft und den Stresserfahrungen, die den Kindern aus einer Leihmutterschaft zugemutet werden.

 

Altruistismus: das trojanische Pferd

Einige Länder, wie etwa die Provinz Quebec in Kanada, erlauben nur ‚altruistische‘ Leihmutterschaft. Die Frau darf für die Leihmutterschaft nicht bezahlt werden. Die Leihmutterschaft kostet dennoch nur unwesentlich weniger als in den USA, da Aufwandsentschädigungen bezahlt werden. Umgehungskonstruktionen verschleiern die Tatsache, dass es sich um den Kauf eines Kindes handelt, ändern aber nichts an der Tatsache. Ähnlich unrealistisch ist die Regelung, bei der die Leihmutter nur für die Schwangerschaft, nicht aber für das Kind bezahlt werden soll. Dies ist eine Lösung, die nicht praxistauglich ist und den Kinderhandel nicht verhindert.

Die als altruistisch bezeichneten Leihmutterschwangerschaften sind in Wirklichkeit das trojanische Pferd für kommerzielle Leihmutterschaften. Während das Gesetz die Bezahlung der Leihmutter verbietet, stellen die „altruistischen“ Leihmutterschaften die Bresche dar, durch die sich die kommerzielle Leihmutterschaftsindustrie schlüpft, um die verschiedenen Verfahren einzuführen, die die Kommerzialisierung der Körper der Frauen, die man vermietet, und der Kinder, die man bestellt, verschleiern. 

Michèle Sirois und Ghislaine Gendron: Une particularité à défendre – Le cas du Québec ;in : « Ventre à louer… » SS 86 -102

 

Leihmutterschaft regulieren oder verbieten

„Regulierung bedeutet, dass die Katastrophe bereits eingetreten ist“, sagt Ana Trejo Pulido.

Auch Sklaverei oder Organhandel sind nicht einfach ‚reguliert‘, sondern schlicht verboten, aus gutem Grund. Und so sollte es auch bei der Leihmutterschaft sein. Jede Regulierung muss auch vor den Juristen der Reproduktionsindustrie standhalten, die nicht die Rechte von Frauen und Kindern, sondern allein den Profit ihrer Unternehmen vor Augen haben. Deshalb sind wir mit Ana Trejo Pulido überzeugt:

„Frauen auf der ganzen Welt brauchen dringend ein rechtsverbindliches Instrument nach dem Vorbild des Istanbul-Übereinkommens oder des Übereinkommens über Sklaverei, mit dem eine Reihe von Normen zur Bekämpfung der Ausbeutung von Frauen zu reproduktiven Zwecken und des Verkaufs von Babys festgelegt werden soll. Das ist die Art von Normen und Grundsätzen, die wir wollen und brauchen: Rechtsschutz, der unserer Würde und unseren Rechten dient und nicht den Interessen von Konzernen, Babykäufern und Staaten, die mit grenzüberschreitender Leihmutterschaft Millionen von Euro in ausländischen Währungen verdienen.“ 

Ana Trejo Pulido (in siehe oben „Die Prinzipien von Verona…)

Wir bitten Sie daher, die in diesem Brief zitierten Stimmen zu prüfen und bei Ihrer Befassung mit der eingangs genannten Initiative der EU-Kommission und überhaupt dem Thema Leihmutterschaft im Blick zu behalten.

Weitere Informationen dazu finden Sie auf unserer Homepage www.stoppt-leihmutterschaft.at.

Vielen Dank, dass Sie dieser Sache die nötige Aufmerksamkeit widmen!

 

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Barbara Burian-Langegger, Renate Mitterhuber MSc, Erwin Landrichter

Verein „STOPPT Leihmutterschaft“

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